Schützenbruderschaft St. Jakobus 1873 e.V. Heringhausen

"Schützen leben von ihrer Tradition"

Ein Auszug aus einem Interview von Eric Steinberg mit unserem 1. Brudermeister Stephan Gerbracht

Im Januar 2020 trafen sich die beiden zum Interview als Teil des Projektes für Erics Studium in unserer Schützenhalle.

Eric ist 19 Jahre alt und studiert Journalismus und Public Relations an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen im zweiten Semester. Der Brabecker ist eng mit dem Sauerland und seinem Schützenwesen verbunden. Sehr dankbar sind wir, dass er hier für uns einen Auszug aus seiner Arbeit geschrieben hat:

Schützen in Heringhausen sind bereit für die Zukunft

Schützenvereine im Sauerland: Trinkwütige, Traditionsfanatiker und Ewiggestrige. Das alles sind typische Klischees, die sich Schützenbrüder immer wieder gefallen lassen müssen. Doch stimmt das wirklich? Sind die Uhren in den Schützenhallen tatsächlich in den vergangenen Jahrzehnten stehengeblieben, oder schaffen die Vereine den Schritt in die Moderne? 

Durch die Fenster der St. Jakobus Schützenhalle scheint bereits gelbes Licht. Mit einem Lächeln und kräftigem Händedruck empfängt mich Stephan Gebracht zum Kontrollgang durch sein zweites Wohnzimmer. Der Geruch des hölzernen Hallenbodens liegt in der Luft, die Bretter knartschen unter den Schuhen des 47-jährigen Sparkassenbetriebswirtes. An den kalten Wänden aus Fachwerk hängen Hirschgeweihe. Mal mit, mal ohne Schädel. An anderer Stelle findet sich auf einer Holztafel, feinsäuberlich aufgereiht, die Liste der ehemaligen Schützenkönige des Ortes. Namen von Menschen, die sich mit der Schützentradition verbunden fühlen. Zu denen gehört auch Gerbracht.

Er lebt das Brauchtum, welches der Verein seit beinahe 150 Jahren pflegt. Dass das Vereinsleben 1873 noch ganz anders aussah, versteht sich von selbst. Im Mittelalter beispielsweise seien Schützen auch für die Verteidigung des Ortes verantwortlich gewesen, berichtet Gerbracht. Dieser Bestandteil des Schützenwesens hat sich in Zeiten unserer friedlichen Demokratie zum Glück zum erledigt, ein anderer ist geblieben. Der Verein soll die Geselligkeit im Ort selbst fördern. Wie in dieser Hinsicht nachgeholfen wird, zeigt ein unscheinbares Schild an der Wand: Freifunk. WLAN ist nur eine der Möglichkeiten, die der Verein ergreift, seine Vereinshalle zu einem attraktiveren Ort der Begegnung zu machen.

Nicht nur im Ort kann man sich über solche Anschaffungen freuen. Regelmäßig nutzen Ferienlager die großen Räumlichkeiten. „Erst vor einiger Zeit haben wir unsere Sanitäranlagen erneuert“, zeigt Gebracht stolz. „Die Jugendlichen erwarten natürlich einen gewissen Komfort.“ Immer wieder wurde deshalb in den vergangenen Jahren investiert. Um attraktiv zu bleiben, sind solche Umbaumaßnahmen mittlerweile fast schon Pflicht. Eines wird deutlich: Im Umfeld des Vereins soll sich jeder wohlfühlen. Doch kann das wirklich jeder?

Im Fokus eines Vereinsjahres steht unangefochten das Schützenfest. Betrunkene Männer, die mit Gewehren auf einen Holzvogel schießen. Was für Außenstehende befremdlich klingt, bestimmt den Regenten der Ortschaften. Ein gläubiger Muslim der Schützenkönig werden will? Oder gar eine Frau? Für einige erzkatholische Sauerländer Vereine kommt das nicht in die Tüte, Tradition sei eben Tradition. In Heringhausen ist man dagegen in der Neuzeit angekommen: „Ich persönlich finde es nicht mehr zeitgemäß, dass man sich diesen Gruppen verschließt. Gerade die Verweigerung gegenüber anderen Konfessionen sollte es nicht mehr geben“, meint der Betriebswirt.

Trotzdem solcher Aussagen steht im Sauerländer Schützenwesen immer noch eines im Vordergrund: Die Pflege uralten Brauchtums. „Schützen leben von ihrer Tradition und diese muss bewahrt werden. Die Unterschiede zwischen damals und heute sind nicht so gewaltig, es ist aber besser auf die heutige Zeit angepasst“, ist sich Gerbracht sicher. Bindung zur Kirche sei wichtig, genau so das Feiern christlicher Bräuche. Während sich viele Jugendliche kaum noch für Glaubensfrage interessieren, findet sich in den Schützenvereinen Nachwuchs, der christliche Tradition aufrechterhält. „Altbacken“ ist das nicht, es geht eher um das Gesicht der Vereine.

In Heringhausen versucht man sein Brauchtum in die Moderne zu integrieren. Technische Neuerungen, Umbauten, ein offenes Weltbild. Der Ort liefert ein gutes Beispiel, welchen Weg Sauerländer Vereine einschlagen müssen, damit sich die Uhren auch in Zukunft weiterdrehen. Denn es geht schon lange nicht mehr darum, wie im Mittelalter seinen Ort vor Angreifern zu schützen, sondern um das Miteinander.

 

 

 

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